Thomas Platt: Überlegungen zu seiner Kunst

Wenn Thomas Platt ein Bild gemalt hat, lässt das nächste nicht lange auf sich warten. Fast ist es, als weise ein Bild auf das nächste hin, und dieses wiederum auf seinen Nachfolger. Als sei das einzelne Werk nur ein Aufschub, eine Verzögerung dessen, was noch kommt. Deshalb wird eine Ausstellung dem Werk Thomas Platts im Grunde weniger gerecht als der Fluss der Bilder in den Social Media, wo sich seine Bilder einander ablösen und überlagern, weil sie zum wiederholten Mal auftauchen. 

So wird das einzelne Bild zur Wiederholung seiner selbst und zur Verdoppelung aller anderen Bilder. Die Kunst Thomas Platts ist nur aus dem Zusammenhang dieses Bildflusses zu verstehen, nicht aus der Interpretation einzelner Arbeiten. Der Räumlichkeit des Materials ist eine zeitliche Dimension eingeschrieben. Der Verfestigung des Eindrucks wirkt der Hinweis auf die Unabschließbarkeit der Plattschen Kunst entgegen. Die Kunst wird in diesem Aspekt persönlich, denn sie bringt ein Charakteristikum zum Vorschein: den unstillbaren Drang zur Konversation. Die Gabe zu einem Diskurs, der nie abreißt, sondern sich immer neue Wege sucht. Der den stärksten inneren Widerstand gegen alles Beharren mobilisiert, und den Menschen Thomas Platt, wie seine Umgebung, in Bewegung und lebendig hält. 

Die Gegenstände und Inhalte selbst treten hinter dieses Movens zurück. Weil die Konversation selbst zum ästhetischen Inhalt wird, erliegt Thomas Platt nicht der unter Intellektuellen verbreiteten Versuchung, sich in selbst konstruierte Ausschließlichkeiten hinein zu manövrieren. In dieser Hinsicht bringt sich bei ihm nicht nur ein produktives, sondern auch ein ästhetisches Prinzip zum Ausdruck. In vielen seiner Bilder findet man Unordnung und Ordnung vereint. In einem scheinbaren abstrakten Chaos aus Formen und Farben finden sich Anhaltspunkte, die eine Zufälligkeit infrage stellen. Die Zufälligkeit bringt gleichsam selbst ihre eigene Zwangsläufigkeit hervor. So betrachtet, lassen sich Gravitationszentren ausmachen, die das Herausfließen der Bilder aus sich selbst aufzuhalten scheinen. Das Auge verharrt auf Linien, die sich oft zu Zeichnungen ausformen. Aber diese Linien tragen ein eigenes Gesetz in sich. 

Thomas Platt setzt die Linien ähnlich wie Farbflächen ein. Viele seine Arbeiten übertragen die abstrakte Kraft der Farben auf die Linien. Anders als einer Farbe wohnt einer Linie eigentlich die Tendenz zur Gegenständlichkeit inne. Diese Gegenständlichkeit unterläuft Der Künstler, indem er Formen nur andeutet oder ihnen Zweideutigkeit verleiht und sie kontextualisiert. Die Konkretheit der Bilder scheint so greifbar und wird gleichzeitg aufgehoben, weil sich ein vermeintlicher Mittel- oder Sinnknotenpunkt in der Betrachtung vervielfacht. Das Zentrum hebt sich auf, und die räumliche Dimension der Arbeiten tritt gleichsam in ein Spannungsverhältnis mit deren zeitlicher Dimension. 

Eben dieses ästhetische Prinzip prägt auch die Konversation des Malers: Wie ist Vertiefung und Gravitas möglich, ohne sich selbst Grenzen aufzuerlegen? Wie kann sich ein Argument einen Ausweg aus der eigenen Verhärtung erschaffen? Wie kann man etwas objektivieren, ohne es dabei auszulöschen? Und wie kann man einen Punkt setzen und gleichzeitig den Diskurs fortschreiben? Thomas Platt gibt darauf als Künstler und als Mensch überzeugende Antworten. 

Dietmar Göllner